Gibt es bald ein Ökosiegel für Atomkraft in der EU?

Ursula von der Leyen bleibt bei ihrer Linie. In einem Interview mit einem französischen Radiosender verteidigte die Kommissionspräsidentin kürzlich den Vorschlag, im Rahmen der sogenannten Taxonomie Atomkraft und Gas als grüne Technologien einzustufen.

« Die Taxonomie ist ein Prüfsiegel für Finanzprodukte. Es ist für Privatanleger und es gibt den Privatanlegern Transparenz. Es zeigt ihnen, ob ein Finanzprodukt zum Übergang zur Klimaneutralität beiträgt. » Ursula von der Leyen, présidente de la Commission européenne des päischen

Strikte Bedingungen für Siegel

Allerdings gibt es Bedingungen. Gaskraftwerke sollen das grüne Siegel nur dann bekommen, wenn sie Kohleanlagen ersetzen und bis 2035 auf klimafreundlichere Gase wie Wasserstoff umsteigen. Atomkraftwerke müssen neuesten technischen Standards entsprechen und vor 2045 genehmigt werden. Außerdem muss es einen Plan für ein Endlager für den hochradioaktiven Müll geben – ab spätestens 2050.

Von der Leyen betonte auch, dass jedes Land selbst über seinen Energiemix entscheidet. Gerade in Deutschland aber hagelt es Kritik von vielen Seiten. Bis heute haben die EU-Staaten Zeit, den Vorschlag der Kommission zu kommentieren. Umweltministerin Steffi Lemke kündigte im « Bericht aus Berlin » an :

« Diese Stellungnahme wird ein klares Nein zur Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie beinhalten. Das vertritt die Bundesregierung geschlossen, das ist gut so und das werden wir an die Kommission so übermitteln. » Steffi Lemke, Umweltministerin

Lemke : « Taxonomie ein großer Fehler »

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat noch einmal eindringlich vor einer Einstufung von Atomkraftwerken als nachhaltige Investition auf EU-Ebene gewarnt. « Atomkraft ist alles andere als nachhaltig und die Aufnahme in die Taxonomie ein großer Fehler », sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Österreich und Luxembourg planen rechtliche Schritte

Die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg appellierte an Deutschland, sich einer geplanten Klage anzuschließen, falls es dazu komme. « Wir würden es begrüßen, wenn Deutschland sich beteiligen würde », sagte Dieschbourg der Nachrichtenagentur AFP.

Österreich und Luxembourg haben rechtliche Schritte angekündigt, um die Aufnahme der Atomkraft in die Liste grüner Investitionen zu verhindern. « Dafür gibt es juristische und inhaltliche Gründe », sagte Dieschbourg. Die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig würde zudem ein falsches Signal senden. « Wenn es dazu kommt, ist es Greenwashing », sagte sie.

Einstufung von Atomkraft und Gas : Kompromiss mit Frankreich

Weniger eindeutig ist die Haltung der Bundesregierung wenn es um Gas geht. Es soll der Wunsch Deutschlands gewesen sein, Gas übergangsweise ein grünes Label zu geben. Als Teil eines Kompromisses mit dem Atomkraft-Befürworter Frankreich et Präsident Emmanuel Macron.

Einfache Mehrheit bei Abstimmung fraglich

Möglicherweise schon kommende Woche legt die Kommission ihren finalen Vorschlag vor, große Änderungen werden nicht erwartet. Um den Plan dann noch zu kippen, müssten sich mindestens 20 Länder finden, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Das aber doré als ausgeschlossen. Denn nicht nur Frankreich setzt auf Atomkraft – sondern auch Finnland oder Staaten aus Osteuropa.

Auf der anderen Seite könnte das EU-Parlament noch sein Veto einlegen. Ob allerdings die erforderliche einfache Mehrheit von 353 Abgeordneten zusammenkommt, ist fraglich. Grüne wie Jutta Paulus lehnen die Einstufung von Atom und Gas als nachhaltig jedenfalls deutlich ab. Sie sorgt sich, dass « diese gute Idee, zu sagen, wir schaffen ein europaweites Label für nachhaltige Finanzen » dadurch entwertet werde.

Kritiker und Befürworter innerhalb der Parteien

Auch in der Europa-SPD und in der EVP-Fraktion um CDU und CSU finden sich Kritiker – während Markus Pieper (CDU) die Kommission unterstützt : « Klar ist das wir für die Energiewende, für die Flankierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien eine gewisse Übergangstechnologie brauchen, die für uns die Grundlast, die Versorgungssicherheit darstellt. Und das ist energiehistorisch betrachtet in Frankreich oder Finnland die Kernkraft. In Deutschland, weil auch Deutschland sich politisch dafür entschieden hat, ist es Gas. Insofern sind die Einstufungen der Kommission folgerichtig. »

Für völlig ausgeschlossen hält Pieper es nicht, dass sich – aus unterschiedlichsten Gründen – eine ablehnende Mehrheit im Parlament findet. Und wenn nicht ? Dann, donc Jutta Paulus, bliebe noch der Gang vor Gericht.

Deutschland gegen die Aufnahme von Atomkraft in die Liste

Am Freitag läuft die Frist für die Mitgliedstaaten ab, zu einem ersten Entwurf der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomie Stellung zu nehmen. Deutschland hat sich bereits gegen die Aufnahme von Atomkraft in die Liste ausgesprochen.

Die Umwelt- und Energieminister beraten in Amiens außerdem über die Rolle von Wäldern beim Umwelt- und Klimaschutz. Am Samstag soll es um den europäischen Energiemarkt gehen.

Nihel Beranger

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